Die Reitproblem-Challenge – Tag 3
Mein Drei-Stufenplan zur Lösung von Reitproblemen
Stufe 3. Die Lösung: „Womit geht´s weg?“
Heute geht es um das, was dich sicherlich am meisten interessiert: Die Lösung deines Problems.
Ehrlicherweise möchte ich hier von Lösungsansätzen sprechen, denn es gibt es ja gerne mal mehrere mögliche Herangehensweisen und Lösungswege, und dann gilt es eben die zu finden, die für das jeweilige Pferd und den jeweiligen Reiter am besten umsetzbar sind. Die eine, absolute und immer gültige Lösung gibt es im Zusammentreffen von Individuen eben eher selten.
In der heutigen dritten Stufe geht es darum, konkrete Übungen, Lektionen und Übungsfolgen zu finden, die bei der Lösung des Ursprungsproblems helfen können. Und damit sind wir beim umfangreichsten aller Punkte angelangt.
Hier hilft uns aber die systematische Vorarbeit der letzten beiden Tage. Anhand der erstellten Liste (in meinem Beispielfall hatte sie 4 Punkte) arbeiten ich mich nun durch die einzelnen Punkte durch.
Lösungsvorschläge für Punkt 1 und 2
Wir fangen gleich mal mit einer guten Nachricht an, denn beide Punkte hängen unmittelbar zusammen und wenn du Punkt 1 verbesserst, dann verbesserst du automatisch auch Punkt 2.
Dein Sitz in der Vorbereitungsphase des Übergangs und der Übergang
Der Galopp fordert von mir, dass ich mein Becken in einer diagonalen Stellung positioniere. Dabei ist der innere Gesäßknochen vor und der äußere zurückgenommen. Dafür teile ich meinen Sattel gedanklich in vier Teile auf, das hilft mir, meine Gesäßknochen im jeweils richtigen Feld zu positionieren. Ich wähle für mein Beispiel den Linksgalopp, also muss mein linker Gesäßknochen ins Feld links vorne, und der rechte in das hintere rechte Feld.
Habe ich mein Becken korrekt positioniert, kann ich der wellenartigen Bewegung des Galopps von hinten rechts nach vorne links bei jedem einzelnen Sprung sehr gut folgen. Dabei spiegeln meine Gesäßknochen die Beine meines Pferdes wenn sie den Boden berühren.
Der Dreitakt des Galopps hat folgende Bodenkontake:
- hinten rechts
- hinten links und vorne rechts gleichzeitig
- vorne links
Und genau auf diesen Rhytmus betone ich meine Gesäßknochen:
- rechts
- rechts und links gleichzeitig
- links
Das gibt mir nun in der Vorbereitung zum Trab die Möglichkeit zwei Dinge zu tun:
Als erstes verlangsame ich die gesamte Wellenbewegung meines Beckens. Nicht zu plötzlich, sondern ganz allmählich, damit sich mein Pferd auf den neuen, verlangsamten Rhythmus einstellen kann. Zusätzlich betone ich dann innerhalb des Rhythmus` den Moment, in dem ich den rechten Gesäßknochen mehr belaste, ich verlangsame also die Phase der Einbeinstütze des rechten Hinterbeins. Dadurch nehme ich Schub heraus und fördere die Lastaufnahme des Hinterbeins, also das Tragen.
Wenn diese Hilfen noch nicht reichen um den Galoppsprung meines Pferdes zu reduzieren, stelle ich mir vor, an meinem Gürtel würden rechts und links (auf Höhe der Hüftknochen) zwei Seile nach hinten laufen und an diesen Seilen hinge ein Wasserskifahrer, der mich etwas ausbremst. Wichtig ist hierbei, dass ich nicht steif werde oder mich gar nach hinten lehne (ziehen lasse), denn das würde meine Beckenwelle stören und ich würde mein Pferd im Rücken ungünstig belasten. Die Stabilität meines unteren Rumpfs und die Beweglichkeit meines Beckens bleiben erhalten, ich leite lediglich Bewegungsenergie nach hinten.
Diese Kombination von Hilfen sorgt dafür, dass sich der Galoppsprung meines Pferdes verändert. Er wird etwas gesetzter und genau das möchte ich. Wenn ich das spüre, weiß ich, ich kann den tatsächlichen Übergang einleiten.
Der Moment des Übergangs
Für den eigentlichen Übergang bringe ich nun meine Gesäßknochen von der diagonalen Stellung in die parallele Stellung (siehe Foto) und denke ans Traben.
Ich verlasse die Welle und den Rhythmus des Galopps und bringe meinen Körper gedanklich (und dadurch mirkomuskulär) in den Trab. Ich reite quasi einen kleinen Moment in der Zukunft. Obwohl ich noch den letzten Sprung galoppiere, tue ich so, als würde ich bereits traben. Dieser Moment ist kürzer als eine Sekunde, denn mein Pferd nimmt die Veränderung sofort wahr und passt sich meinem neuen Rhythmus an.
Durch diese systematische Vorbereitung im Galopp, haben sich meine Erfolgschancen, einen ordentlichen Übergang zum Trab zu reiten, nahezu verfünffacht. Von meiner Seite, sind die Voraussetzungen also schon mal deutlich besser geworden. Ich gebe meinen Schülern den Tipp, nach dem Übergang zunächst sofort leichtzutraben. Dein Pferd erwartet vielleicht aus der Erfahrung heraus, dass es jetzt unangenehm im Rücken wird, also kannst du es am schnellsten vom Gegenteil überzeugen, wenn du seinen Rücken entlastest.
Und schon kommen wir zu Punkt 3.
Lösungsvorschläge für Punkt 3
Ich bin der Meinung, wenn etwas nicht gut funktioniert, sollte man es nicht üben. Klingt komisch, ich erkläre dir aber, was ich damit meine. Wenn z. B. ein fliegender Wechsel oder ein Schulterherein nicht oder nur sehr mäßig funktionieren, macht es für mich keinen Sinn daran weiter zu üben und die Lektion stetig zu wiederholen in der Hoffnung, dass es irgendwann mal klappt. Das einzige was man dadurch festigt, ist die fehlerhafte Ausführung. Man trainiert kompensatorische Muskulatur und falsche Bewegungsmuster prägen sich so richtig schön ein. Wer hingegen schlau ist, der überlegt sich, welche Übungsteile seiner Lektion nicht funktionieren (genau dazu war die Aufgabe von Tag 1) und sucht vorgeschaltete Übungen, mit denen zunächst einzelne Bestandteile geübt werden um diese dann zu einem späteren Zeitpunkt zusammen zu setzen.
Im Falle unserer Galopp-Trab Übergänge haben wir in der Analyse festgestellt, dass es ein Problem im Energiemanagement gibt. Im Selbsttest solltet ihr Folgendes festgestellt haben:
Je mehr Tempo man erreichen möchte, umso mehr bringt man seinen Oberkörper in die Bewegungsrichtung nach vorne. Und umgekehrt, wer langsamer werden möchte, der richtet sich deutlicher auf und nimmt den Oberkörper zurück. Ganz genauso machen es unsere Pferde auch, nur dass sie nicht auf zwei, sondern auf vier Beinen unterwegs sind und somit eher horizontal als vertikal ausgerichtet sind. Das Prinzip ist aber das gleiche. Auch hier hilft zur Vorstellung ein Bild. Wenn die Bewegungsenergie eine dicke rote Bowlingkugel wäre, die im Rumpf des Pferdes frei beweglich ist, dann würde diese Kugel im frischen Galopp wohl vorn im Brustkorb zu finden sein. Wenn wir als Reiter nun das Tempo verringern möchten, muss diese Kugel im Rumpf nach hinten rollen. Ich mag diese Bild sehr gerne, denn es macht eines sofort deutlich: Nichts was wir mit den Zügeln tun, macht in diesem Prozess auch nur für 5 Cent Sinn. Und es wird sonnenklar, dass eine Kugel nur dann nach hinten rollen kann, wenn sich vorne etwas anhebt.
Dieses „Etwas“ ist natürlich der Rumpf. Wenn es uns gelingt, dem Pferd zu vermitteln wie es seinen Rumpf anheben kann, dann ist der Übergang zum Trab ein Kinderspiel! Hmmmm, wartet kurz… wir müssen dem Pferd vermitteln, wie es seinen Rumpf anhebt? Das halte ich für Nonsens. Denn Pferde können das. Jedes Pferd, dass auf der Weide bremsen muss, weil der Zaun kommt, oder ein Kollege im Weg steht, ist in der Lage, genau das zu tun, was ich gerade beschrieben habe. Es nimmt Tempo raus, verlagert seinen Körperschwerpunkt nach hinten und schiebt die Hinterbeine vermehrt unter den Körper. Das kriegen schon Jährlinge hin. Die Technik, wie es funktioniert klappt also von Hause aus ziemlich gut. Wieso klappt es dann in der Reitbahn nicht? Weil einige Parameter anders sind:
- Das Pferd entscheidet auf der Weide selbst wann es bremsen soll. Es ist sich also über den Moment völlig klar.
- Es wird in keiner Weise in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt. Weder vom Reiter (Gewicht), noch vom Sattel (unpassend), noch vom Zügel (freie Beweglichkeit des Halses und des Kopfes)
Mit der Verbesserung der Vorbereitung die ich in Punkt 1 beschrieben habe, kannst du schon sehr viel dafür tun, dass dein Pferd genau weiß, wann es sein Tempo reduzieren soll. Du hast es also über den Moment informiert.
Die einschränkenden Faktoren haben wir damit zumindest auch schon teilweise reduziert, denn durch deine Hilfengebung rein über den Sitz, brauchst du keinen Zügeleinsatz mehr und kannst deinem Pferd viel mehr Länge des Halses und eine freiere Kopfposition ermöglichen. Und ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass euer Sattel richtig gut passt und auch dieser somit keinen limitierenden Punkt darstellt. Bleibst also nur noch du übrig. Damit dein Pferd auch mit dir obendrauf seinen Körper so nutzen kann, dass die biomechanischen Zusammenhänge reibungslos funktionieren können, braucht es eigentlich nur noch eines, und das ist Kraft. Denn außer seinem eigenen Rumpf muss dein Pferd ja auch noch dich mit anheben, du sitzt ja schließlich auf dem Rumpf drauf. Ich glaube es war Bent Branderup (aber nagelt mich da nicht drauf fest) der gesagt hat: „Einen Stuhl auf dem man sitzt, kann man nicht anheben“. Ich liebe dieses Zitat, denn es macht eigentlich so ein kleines bisschen auf die Absurdität unseres Unterfangens aufmerksam. Wir möchten etwas anheben, was wir mit Gewicht belasten. Klingt irgendwie widersprüchlich, oder?
Aber keine Sorge, natürlich kann das funktionieren, wir müssen unser Pferd eben nur entsprechend vorbereiten, also trainieren. Und das klappt natürlich am allerbesten zunächst mal ohne unser Gewicht obendrauf. Es gibt tolle Übungen, die ihr vom Boden erarbeiten könnt, um die Tätigkeit des Rumpftrageapparates zu trainieren. Das Rückwärtsrichten z.B., oder eine Hinterhandwendung aus der ihr dann später die Kurzkehrtwendung entwickelt. Beide schulen das Pferd darin, seinen Körperschwerpunkt gezielt nach hinten zu verlagern. Das Viereck verkleinern und vergrößern trainiert die Muskelketten der Körperunterseite des Pferdes und mobilisiert die Schulterrregion und trainiert die Brustmuskeln und ist damit ebenso hervorragend als vorbereitende Übung geeignet.
Und, so simpel es klingt, das Durchparieren zum Halten, wieder antreten lassen und wieder halten. Das kann man ganz toll mit der Rückwärtsrichten verbinden, und so nach und nach eine Wippe entwickeln.
Wenn du die Übungen vom Boden vorbereitet hast, dann kannst du sie selbstverständlich auch reiten. Achte auf kleine, effektive Einheiten, in denen du dein Pferd zwar forderst, aber nicht überforderst. Um den Rumpftrageapparat sinnvoll zu trainieren ist es gar nicht unbedingt zielführend, Runde um Runde in ein und demselben Tempo hinter sich zu bringen, sondern es ist viel schlauer, in einem clever organisierten Zirkeltraining, so wie du es aus dem Humansport kennst, zu arbeiten.
Im Hinblick auf die Galopp-Trab Übergänge kannst du deine eigenen Hilfegebung natürlich bereits in den Trab-Schritt Übergängen üben und optimieren. Sie machen es dir etwas leichter, weil du weniger Energie managen musst, da der Trab von Hause aus normalerweise nicht so flott daher kommt, wie der Galopp.
Und wenn du mit deinem Pferd systematisch deine vorbereitenden Übungen erarbeitet hast, deine Hilfengebung und dein Gefühl für die richtige Bewegung verbessert hast, dann werden sich deine Galopp-Trab Übergänge in Zukunft so weich anfühlen wie Butter in der Frühlingssonne.
Unser Punkt vier hat sich tatsächlich in Luft aufgelöst, denn da er ursprünglich ja sowieso nur das Ergebnis der nicht funktionierenden Punkte 1-3 war. Da du diese aber nun im Griff hast, ist auch der Stechtrab nach dem Übergang auf wundersame Weise verschwunden.
Ich hoffe die 3-Tage-Problem-Lösungs-Chalange hat dir Spaß gemacht und dir eine Idee davon gegeben, wie du in Zukunft mit Herausforderungen umgehen kannst, die dir und deinem Pferd beim Reiten begegnen. Wenn du zu deinem konkreten Problem noch Fragen hast, dann schreib mir doch einfach, ich freue mich auf deine Nachricht. Und wenn du noch mehr über kluges, lösungsorientiertes Arbeiten wissen willst, dann schaue doch mal bei meinem Kreis-Meister-Konzept vorbei, denn darin geht es ganz genau darum: Herauszufinden was genau das Problem ist, es zu seinen Ursachen zurückzuverfolgen und diese dann mit schlauen vorgeschalteten Übungen zu lösen.